Politische Kulturen und Systeme

Gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen beziehen sich auf etablierte Vorstellungen des Umgangs mit gesellschaftlicher Heterogenität. Auf dieser Basis stellen politische Systeme die formale Grundlage für ein gewisses Maß an sozialer Kohäsion dar. Bis zum Ende der 1990er-Jahre dominierten ideologisch fundierte Systeme, insbesondere in der Zwischenkriegszeit und im Kalten Krieg. Die danach angebrochene vermeintliche Hegemonie des liberal-demokratischen Systems währte nur kurz und wurde durch die zahlreichen vor allem innerstaatlichen Kriege in Frage gestellt, die trotz massiver liberalistischer Umgestaltungen nicht nachhaltig befriedet werden konnten. Schließlich hat die massive Zunahme transnationaler politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Prozesse nicht nur den Blick für eine sehr diverse Landschaft von Ordnungssystemen jenseits des Ideologischen geöffnet, sondern auch mit der Infragestellung der Sinnhaftigkeit des Konstruktes des modernen Nationalstaates unantastbare Grundfesten der politischen Moderne in Frage gestellt.
Der Cluster befasst sich aus geschichts-, politik-, sozial-, kultur- und rechtswissenschaftlicher Perspektive mit den Dynamiken von politischen Kulturen und Systemen in ihrer Relevanz für gesellschaftliche Heterogenität und Kohäsion. Dabei liegt ein Arbeitsschwerpunkt auf der historischen Perspektive in ihrer Relevanz für die Gegenwart. Im Besonderen relevant ist dabei das 20. Jahrhundert und die Konkurrenz politischer Systeme. Ein anderer Schwerpunkt interessiert sich für die Dynamik zwischen verschiedenen politischen Systemen und Kulturen sowie für die Brüche innerhalb dieser Einheiten, die sich im Zuge der weltweiten Zunahme transnationaler Prozesse ergeben. Das meint einerseits Konflikte in OECD-Staaten sowie etwaige demokratiepolitische Lösungsansätze. Andererseits betrifft das aber auch internationale Konflikte und Ansätze zu deren Bearbeitung im Rahmen von Friedensmaßnahmen innerhalb der Staatengemeinschaft sowie seitens der internationalen Zivilgesellschaft. Innerhalb dieser Dimensionen beschäftigt sich der Cluster unter anderem mit dem Faktor Religion und davon getragenen und beeinflussten Konfliktdynamiken.
Die Leitbegriffe des Clusters sind dabei als offen und von den jeweiligen Konzepten von „Politik“ und vom „Politischen“ abhängig zu sehen. In einer grundsätzlichen Annäherung meint „politisches System“ die Ebene der Institutionen, AkteurInnen und rechtlich-administrativen Infrastruktur politischer Gebilde und Prozesse. „Politische Kultur“ umfasst die Dimension der Einstellungen zu substaatlichen, staatlichen und transnationalen politischen Ordnungen und jene ihrer Selbstdeutungen und Ausdrucksformen (Inszenierungen, Symbole etc.).
Ansprechpartner:
Werner Suppanz werner.suppanz(at)uni-graz.at
Maximilian Lakitsch maximilian.lakitsch(at)uni-graz.at